Geschichte
Das DAZ wurde 1995 als Nachfolgeinstitut des Amerikahauses in Stuttgart gegründet. Die Geschichte der beiden Einrichtungen ist nicht nur die Geschichte einer lokalen Kulturinstitution – in ihr, und der Geschichte der anderen Amerikahäuser in Deutschland, spiegelt sich auch das offizielle deutsch-amerikanische Verhältnis über die Jahrzehnte hinweg wieder.
1946 eröffnete die Amerikanerin Zaren Wang, eine zivile Mitarbeiterin der Militärregierung, in Stuttgart eine der, wenn nicht die erste US-amerikanische Bibliothek für Deutsche in Deutschland. Während die offizielle Besatzungspolitik der USA unter Entnazifizierung vor allem noch Bestrafung verstand, wurde hier mit Büchern und Bildung für demokratische Werte geworben. Anfangs interessierte sich die amerikanische Militärregierung nicht sehr stark für die Lesestube in der Neckarstraße 44 und bewilligte nur wenige Gelder. Daher organisierte Frau Wang Buch- und Zeitungsspenden von deutschen und auch Schweizer Institutionen. Vier Räume boten 20 bis 30 Personen Platz um zu lesen und zu arbeiten.
Zaren Wangs Idee wurde eine Erfolgsstory im späteren Westdeutschland: Ab 1947 wurden Bibliotheken offiziell von US-amerikanischer Seite finanziert und ideell gefördert. So entwickelten sich daraus große Kultur- und Veranstaltungshäuser, die von den Deutschen begeistert angenommen wurden. Heute kann man nur noch erahnen, welche Bedeutung diese Einrichtungen kurz nach Kriegsende für die deutsche Bevölkerung hatten. Viele erinnern sich an sie als ‚Wärmestuben‘, die nicht nur den Körper sondern auch den Geist wärmten. Auch das bis dato unbekannte System der Freihandbibliothek – also dem unzensierten freien Zugang zum Regal und Buch – sowie die Tatsache, dass die Angebote der Amerikahäuser kostenlos waren, beeindruckte die Deutschen ungemein und trug nachhaltig zur positiven Haltung gegenüber der amerikanischen Besatzungsmacht bei.
In Stuttgart wurden die Räumlichkeiten in der Neckarstraße bereits Ende 1947 zu eng und die amerikanische Bibliothek wurde in die Stafflenbergstraße verlegt. Der Umzug und die räumliche Vergrößerung lösten einen regelrechten Boom aus, denn die Zahl der Nutzer vervierfachte sich. 1948 gab es jeden Monat rund 7.500 Ausleihen. Das Angebot wurde nun auch auf Veranstaltungen ausgeweitet und der Bestand um eine Schallplattensammlung ergänzt. Zudem wurde aus der Bibliothek namentlich das Amerikahaus. 1950 erfolgte der Umzug in das Lorenzhaus in der Charlottenstraße 9. Dort wurde laut eines Zeitungsartikels bereits im Februar die Rekordzahl von 62.000 Besuchern erreicht. Damit hatte das Stuttgarter Amerikahaus nach dem in Berlin die meisten Besucher aller Amerikahäuser. Die rege Nutzung hatte auch personelle Folgen: 1950 zählte die Belegschaft des Amerikahauses bereits 40 ständige MitarbeiterInnen.
Auch außerhalb Stuttgarts fanden die Angebote des Amerikahauses großen Anklang: in den 1950er Jahren erreichten sogenannten Bookmobiles 13 Standorte – von Künzelsau bis Mössingen und Neuenbürg bis Geislingen an der Steige – und versorgten so alle drei Wochen begeisterte NutzerInnen im Umland mit Lesematerial. In den Bibliotheksfahrzeugen fanden etwa 1.500 Bücher sowie Zeitschriften Platz. Das mobile Bibliotheksangebot war besonders bei jungen Lesenden beliebt, denn fast die Hälfte der Nutzer waren Jugendliche. An manchen Standorten war die Nachfrage so hoch, dass eigene Bibliotheken eingerichtet wurden.
Zu Turbulenzen kam es 1958, als die amerikanische Seite die Kosten des Lorenzhauses nicht mehr tragen konnte und wollte, obwohl der Besucheransturm weiterhin ungebrochen anhielt und stetig zunahm. Nach einigen Umwegen wurde schließlich ein gemeinsamer Finanzierungsweg von State Department und der Landeshauptstadt gefunden, so dass 1961 in der Friedrichstraße eigens ein Gebäude als Amerikahaus errichtet werden konnte. Bei der Einweihung waren neben dem Altbundespräsident Prof. Theodor Heuss auch Ministerpräsident Kurt Georg Kiesinger und der Botschafter der USA Walter Dowling anwesend.
1995 entschied sich das US-amerikanische Außenministerium aus finanziellen Gründen dazu, neben dem US-Generalkonsulat in der Urbanstraße auch das Amerikahaus Stuttgart endgültig zu schließen. Vehement setzten sich daraufhin Stuttgarter Bürgerinnen und Bürger und Fürsprecher aus der Politik wie der damalige Ministerpräsident Erwin Teufel und Oberbürgermeister Manfred Rommel für die Weiterführung der Arbeit in Form einer Nachfolgeinstitution ein. So konnte am 28. Juli 1995 mit der finanziellen und ideellen Unterstützung des Landes und der Landeshauptstadt das DAZ in Stuttgart als gemeinnütziger deutscher Kultur- und Bildungsverein gegründet werden. Um die Bedeutung der transtatlantischen Beziehungen für das Land Baden-Württemberg und die Landeshauptstadt Stuttgart hervorzuheben, wurde das U.S. Generalkonsulat Frankfurt sowie weitere hochrangige Vertreter*innen aus Wirtschaft, Bildung und Kultur in den Vorstand berufen.
Bis heute ist das DAZ im Alten Waisenhaus die Anlaufstelle in Stuttgart für Interessierte an US-amerikanischer Politik, Kultur und Geschichte, für USA-Begeisterte und in Stuttgart ansässige US-Amerikanerinnen und -Amerikaner. Es ist ein Ort der Vernetzung und der interkulturellen Begegnung und setzt sich mit Vorträgen, Kulturfesten, Ausstellungen, Konzerten und Beratungsangeboten nach wie vor für die Völkerverständigung ein.
Wer war James F. Byrnes?
Das Deutsch-Amerikanische Zentrum trägt den Namen von James F. Byrnes, dessen Stuttgarter „Speech of Hope“ von 1946 als Wendepunkt der Nachkriegsgeschichte gesehen wird. Sie gilt als die Geburtsstunde der konstruktiven deutsch-amerikanischen Beziehungen und Freundschaft nach dem zweiten Weltkrieg.
James Francis Byrnes wurde am 2. Mai 1882 in Charleston, South Carolina, geboren und wuchs in einfachen Verhältnissen auf. Im Alter von 14 Jahren verließ er die Schule, um seinen Lebensunterhalt als Rechtsanwaltsgehilfe zu verdienen. Er lernte Stenografie und wurde 1900 Protokollführer bei Gericht. In seiner Freizeit bildete sich Byrnes in Rechtswissenschaften weiter und bestand 1903 die Prüfung, mit der er als Anwalt zugelassen wurde. Im selben Jahr wurde er Herausgeber bei Journal & Review, der Tageszeitung in Aiken, South Carolina, und war gleichzeitig als Anwalt tätig. An seinem Geburtstag 1906 heiratete er Maude Busch. 1908 wurde er Staatsanwalt in South Carolina.
1911 wurde Byrnes als Mitglied der Demokratischen Partei in das Repräsentantenhaus des amerikanischen Kongresses gewählt, wo er bis 1925 die Interessen South Carolinas vertrat. Von 1931-1941 war er im Senat und wurde Mehrheitsführer. Als Senator half Byrnes dem amerikanischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt viele seiner New Deal-Maßnahmen durch den Kongress zu bringen. Obwohl er später einige Vorhaben des Präsidenten als zu radikal kritisierte, hielt er seine guten Kontakte zum Präsidenten aufrecht und übernahm später eine wichtige Rolle in der Außenpolitik Roosevelts.
1941 berief Roosevelt Byrnes an den Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten. Nach nur 16 Monaten auf der Richterbank trat er allerdings zurück, um die Leitung des Amts für wirtschaftliche Stabilisierung zu übernehmen. Von 1943-1945 war er Direktor des Amtes für Kriegsmobilisierung. Diese beiden einflussreichen Positionen führten dazu, dass er auch „Assistenz-Präsident“ genannt wurde.
Im Februar 1945 war er Teil von Präsident Roosevelts Delegation bei der Jalta-Konferenz. Im Juli desselben Jahres, drei Monate nach Roosevelts Tod, ernannte ihn Präsident Truman zum Außenminister der USA und im selben Monat begleitete er den Präsidenten zur Potsdamer Konferenz.
Am 6. September 1946 hielt Byrnes seine berühmte „Rede der Hoffnung“ im Stuttgarter Staatstheater. In dieser Rede nahm er Abstand vom Morgenthau-Plan und entwarf stattdessen erste Ansätze des späteren Marshall-Plans, der (West)Deutschland einerseits den Wiederaufbau aller Industriezweige, andererseits eine ehrenvolle Wiederaufnahme in die Staatengemeinschaft ermöglichte. Zusätzlich gab er die Garantie, dass die USA so lange Soldaten in Deutschland stationieren würden, wie dies irgendeine der anderen Besatzungsmächte tun würde. Diese Rede skizzierte die Grundzüge der zukünftigen amerikanischen Deutschlandpolitik und trug maßgeblich zur Stabilisierung Deutschlands bei.
1947 verließ Byrnes sein Amt als Außenminister und kehrte zu seiner Tätigkeit als Anwalt zurück. Allerdings war dies nicht das Ende seiner politischen Karriere, da er von 1951-1955 als Gouverneur seines Heimatstaats South Carolina diente.
James F. Byrnes starb am 9. April 1972 in Columbia, South Carolina.
Auch wenn Byrnes von großer politischer Bedeutung für das Nachkriegsdeutschland und insbesondere Stuttgart ist, muss er dennoch kritisch betrachtet werden. Während seiner Zeit im Kongress und auch später als Gouverneur setzte er sich für die Rassentrennung ein, war gegen Gesetze, die Lynchmorde verhindern sollten, und bekämpfte Arbeitergewerkschaften. Als Außenminister trug er maßgeblich zur Entscheidung Präsident Trumans bei, Atombomben über Japan abzuwerfen.
Bei der Wahl als Namensgeber des DAZ 1995 wurde lediglich Byrnes‘ Einfluss auf die deutsche und Stuttgarter Geschichte honoriert, ohne seine politischen Standpunkte und sein Schaffen als Ganzes zu berücksichtigen. Aus heutiger Sicht erweist sich dieser blinde Fleck bei der Namenswahl als problematisch, daher möchten wir zu einer kritischen Reflexion zu James F. Byrnes anregen. Das DAZ hat hierzu bereits mehrere Veranstaltungen angeboten und setzt sich auch weiterhin mit diesem Thema auseinander:
Ende 2023 wurde eine Arbeitsgruppe gegründet, die sich intensiv mit James F. Byrnes als Namensgeber beschäftigt und den Institutsgremien konkrete Vorschläge zum weiteren Umgang mit dem Beinamen des Instituts vorlegen wird.
Das Stipendienprogramm für ein High School Jahr in den USA, das ebenfalls nach Byrnes benannt war, heißt seit Anfang 2024 Hope-Stipendium. Der neue Name honoriert die historische Bedeutung der Speech of Hope als Wendepunkt der deutsch-amerikanischen Beziehungen nach dem zweiten Weltkrieg und vermittelt gleichzeitig den hoffnungsvollen Wunsch an zukünftige Generationen von Stipendiat*innen, nachhaltig zur Stärkung der transatlantischen Freundschaft beizutragen und diese auf Grund ihrer persönlichen Erfahrungen in den USA ein Leben lang zu pflegen.